Die EU-Kommission möchte den Mitgliedstaaten neue Ausnahmen ermöglichen und hat am 18.01.2018 neue Rechtsvorschriften vorgeschlagen. Ziel ist es, dem Wunsch der Mitgliedstaaten nach mehr Flexibilität bei der Festlegung der Mehrwertsteuersätze zu entsprechen und die für inländische Unternehmen geltenden Mehrwertsteuerbefreiungen auf grenzüberschreitend tätige Kleinunternehmen auszuweiten. Diese neuen Rechtsvorschriften bilden den Abschluss der Überarbeitung der Mehrwertsteuervorschriften zur Schaffung eines einheitlichen EU-Mehrwertsteuerraums, der den Mehrwertsteuerbetrug in der EU drastisch verringern soll.

Zurzeit sind im Rahmen der von allen Mitgliedstaaten vereinbarten Mehrwertsteuersätze zwei unterschiedliche Kategorien von Gütern vorgesehen, die von ermäßigten Steuersätzen von mindestens 5 % in jedem Land profitieren können. Noch geringere Steuersätze gelten für einige Mitgliedstaaten aufgrund besonderer Ausnahmeregelungen. Die neuen Vorschriften gestatten den Mitgliedstaaten, neben den beiden ermäßigten Steuersätzen von mindestens 5 % sowie einem Steuersatz von 0 % (Nullsatz), einen dritten Steuersatz zwischen 0 % und 5 % anzuwenden.

Die aktuelle, komplizierte Liste der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die die ermäßigten Sätze angewendet werden können, wird abgeschafft. Gemäß der neuen Liste gilt für die dort aufgeführten Güter (z.B. Waffen, alkoholische Getränke, Glücksspiele und Tabak) stets der Normalsatz von 15 % oder ein höherer Satz.

Nach den derzeit geltenden Vorschriften können die Mitgliedstaaten die von Kleinunternehmen getätigten Verkäufe von der Mehrwertsteuer befreien. Voraussetzung ist, dass die Kleinunternehmen einen bestimmten, von Land zu Land unterschiedlichen Jahresumsatz nicht übersteigen. Sobald der Schwellenwert überschritten wird, entfällt das Anrecht auf Vereinfachungsmaßnahmen. Diese Vorschiften gelten nur für inländische Unternehmen. Um diese uneinheitlichen Wettbewerbsbedingungen zu beseitigen, sehen die neuen Rechtsvorschriften Folgendes vor:

Es soll nunmehr ein EU-weiter Umsatzschwellenwert von 2 Mio. EUR eingeführt werden, bis zu dem Vereinfachungsmaßnahmen für alle Kleinunternehmen anwendbar sind. Es soll ferner für alle Mitgliedstaaten die Möglichkeit bestehen, alle Kleinunternehmen, die für eine Mehrwertsteuerbefreiung in Frage kommen, von ihren Pflichten im Hinblick auf Registrierung, Rechnungsstellung, Aufzeichnung und Mitteilung zu befreien. Ab einem Umsatzschwellenwert von 100.000 EUR soll für Unternehmen, die in mehr als einem Mitgliedstaat tätig sind, die Möglichkeit bestehen, die Mehrwertsteuerbefreiung in Anspruch zu nehmen.

Die Vorschläge werden nun dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Beratung sowie dem Rat zur Annahme vorgelegt.

Hinweis: Das zurzeit geltende Mehrwertsteuersystem stammt noch aus dem Jahr 1993 und sollte lediglich als Übergangssystem fungieren. Die Abschaffung der Steuergrenzen zwischen den Mitgliedstaaten und die Besteuerung der Waren im Ursprungsland erforderte gemeinsame Vorschriften zu Mehrwertsteuersätzen, um eine Verzerrung von grenzüberschreitenden Einkäufen und Handelstätigkeiten zu vermeiden.